In der Begründung der Jury heißt es:
"Die Dissertationsschrift bietet Theatergeschichte als Zeitgeschichte, gibt Einblick in die Rolle des Theaters in den jugoslawischen Zerfallskriegen der 90er Jahre, am Beispiel von Bosnien und der Herzegowina in den Jahren des Bosnienkrieges 1992-95.
Die vier Hauptkapitel rücken jeweils eine Stadt in den Fokus: Mostar in der Herzegowina, Tuzla und Sarajewo in Bosnien, Banja Luka in der Republika Srpska. Der Verfasser legt mehr Gewicht auf die drei Provinzstädte als auf die Metropole Sarajevo, deren Theaterentwicklung während der Kriegsjahre schon Gegenstand vorhandener Forschungen war. Die Lektüre der Studie vermittelt ein differenziertes Bild des Bürgerkriegsgeschehens im Bosnienkrieg, in das hier die Theatergeschichte eingebettet wird. Die Entwicklungen des Verhältnisses zwischen Theater und Stadtgesellschaft werden jeweils an ein oder zwei führenden Theatern in der jeweiligen Stadt exemplifiziert.
Sehr klug reflektiert der Verfasser in der Einleitung seine eigene historisch-politische Positionierung als in Wien aufgewachsenes Kind einer bosnisch-muslimischen Familie. Er zeigt auf, welche Rolle seine familiäre Herkunft bei den Recherchen und Gesprächen im ehemaligen Kriegsgebiet spielte. In methodischer Hinsicht besticht die Argumentation durch umsichtige Einbeziehung einer Fülle heterogener Quellen. Der Verfasser stützt sich auf Oral-History-Interviews, Aufführungsaufzeichnungen, Theaterstücke sowie vielfältige Archivalien (Plakate, Fotos, Programmzettel, Rezensionen etc.). Die Arbeit zeigt, wie sich ein Bürgerkriegsgeschehen umfassend in der Theaterentwicklung des Konfliktgebiets spiegelt. Die Theater sind im Grunde keine Inseln oder Schutzräume (wobei dieser Gedanke im Sarajevo-Kapitel ausführlich erörtert wird), sondern werden von den Kriegsparteien auf unterschiedlichste Weise instrumentalisiert, lassen sich vereinnahmen etc. Man könnte hier mit einigem Recht von einem „Einbruch der Zeit in das Spiel“ sprechen.
Die Stärke der Arbeit liegt in ihrem wichtigen, substantiellen Beitrag zu dem in den letzten Jahren stetig an Bedeutung gewinnenden Forschungsfeld Kriegstheater; mitreißend und materialnah geschrieben, bietet sie genaueste Mikro-Einblicke in die jeweiligen Stadtgesellschaften und die Rolle des Theaters. Sie wahrt auf souveräne Weise Distanz zu den Narrativen der Kriegsparteien und verbindet Oral History auf innovative Weise mit Diskurs- und Inszenierungsanalysen – eine politische Theatergeschichte von höchster Relevanz. Dies kompensiert in vollem Umfang den Verzicht auf eine explizite und ausgeweitete Theorie- und Methodendiskussion, die gleichwohl implizit im Text geleistet ist. Insgesamt handelt es sich um eine herausragende voll preiswürdige Arbeit."
» Weitere Informationen
Dies ist bereits der zweite Preis für Mag. Dr. Senad Halilbašić, nachdem er erst kürzlich mit dem Förderpreis der Südosteuropa-Gesellschaft ausgezeichnet wurde.
» Weitere Informationen
Das Institut für Slawistik der Universität Wien gratuliert dem Preisträger recht herzlich zu seinen Auszeichnungen!