Termin: Samstag, 14. Juni 2025, 15:00-16:30 Uhr
Ort: Seminarraum 4 des Instituts für Slawistik
Srđan Dragojević’s Parada (2011) entfaltet nicht nur eine kontroverse Erzählung über Homophobie und gesellschaftlichen Wandel im postsozialistischen Serbien, sondern fungiert auch als vielschichtiger Speicher von Kriegserinnerung aus den Jugoslawienkriegen der 1990er-Jahre. Im Zentrum dieses Beitrags steht die Frage, wie populärkulturelle Medien kollektive Kriegserfahrungen konservieren, umkodieren oder ironisch brechen – und welche Rolle Männlichkeitsbilder dabei spielen.
Ausgehend von der Figur des Ex-Soldaten Limun und seiner „Kriegsfreunde“ analysiert der Beitrag visuelle, akustische und sprachliche Referenzen auf vergangene Kriegserfahrungen: Tattoos mit Orten wie „Plitvice ‘91“, Musikstile wie Turbofolk, Uniformfragmente und Gespräche unter Veteranen („Gde si ti ratovao?“). Diese Elemente erzeugen eine Atmosphäre, in der der bewaffnete Konflikt als identitätsstiftender Moment männlicher Sozialisation erinnert wird – oftmals nostalgisch, banalisiert oder heroisiert.
Parada inszeniert Erinnerung nicht als linearen oder heroischen Akt, sondern als ambivalentes Zusammenspiel von Trauma, Populärkultur und nationaler Ideologie. Der Kontrast zwischen der „maskulinen“ Kriegserfahrung und der als „unmännlich“ markierten Homosexualität dient als zentrales Konfliktfeld, auf dem normative Vorstellungen von Nation, Männlichkeit und Zugehörigkeit verhandelt werden.
Der Beitrag hinterfragt, wie filmische Mittel kollektive Kriegserinnerung strukturieren und welche Rolle Ironie, Konfrontation und Umkodierung in der Auseinandersetzung mit einem belasteten historischen Erbe spielen können. Damit wird Parada nicht nur zum Film über sexuelle Vielfalt, sondern auch über das lange Nachleben des Krieges in alltäglichen Selbstbildern und Erinnerungskulturen.
Claudia Mayr-Veselinović studierte Geschichte, Bosnisch/Kroatisch/Serbisch (Slawistik) sowie Übersetzen und Dolmetschen in Graz (Österreich) und Belgrad (Serbien). Ihre interdisziplinäre Forschung befasst sich mit dem Zusammenspiel von Kultur, Politik und Identität im post-jugoslawischen Raum, mit besonderem Interesse an politischen Liedern der Jugosphäre und deren gesellschaftlicher Wirkung. Darüber hinaus beschäftigt sie sich mit (kultur-)urbaner Geschichte, einschließlich Traditionen, Ritualen und politischen Bewegungen, sowie mit philologischen Fragestellungen und der Rolle kleiner Sprachen in historischen und gegenwärtigen Kontexten. Ihr aktueller Forschungsschwerpunkt an der Montanuniversität Leoben umfasst die Analyse von Krisennetzwerken und untersucht Qualität und Formen der Unterstützung bei Massentraumaereignissen, mit besonderem Augenmerk auf Prozesse der (Re-)Traumatisierung und die Verbindung zwischen mikrosozialen Erfahrungen und makrokulturellen Reaktionen. www.sds-unileoben.at/arbeitsgruppe-sds/
Diskussant: Prof. Dr. Elias Moncef Bounatirou
Organisation & Kontakt: Priv.-Doz. Dr. Ingeborg Jandl-Konrad, ingeborg.jandl@univie.ac.at